Interview mit M&A-Experte Simon Leopold

DER VERKAUF ALS NACHFOLGE­LÖSUNG IST KEIN SELBSTLÄUFER 

Die Nachfolge ist eine der brennendsten Fragen für Familienunternehmen. Allein bis 2022 stehen laut einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung circa 150.000 Unternehmensnachfolgen an, die rund 2,4 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betreffen. In vielen Fällen kann innerhalb der Familie keine Übernehmerin, kein Übernehmer gefunden werden. Dann ist meist die externe Nachfolge, also der Verkauf an einen Investor, die logische Konsequenz. Doch diese Form der Übergabe ist kein Selbstläufer, will gut vorbereitet sein und kostet manchen Unternehmer viel emotionale Überwindung. Wir sprachen mit Unternehmensberater Simon Leopold von ABG Consulting-Partner über die Chancen und Herausforderungen der externen Unternehmensnachfolge.

Herr Leopold, welche Auswirkungen hat aktuell die Corona-Krise auf den Bereich der externen Nachfolge?

Leopold: Durch die Pandemie und wiederholte Lockdowns haben viele Unternehmen Verluste erlitten und sind wirtschaftlich geschwächt worden. Das hat ihren Wert deutlich geschmälert – was gerade bei der Suche nach einem passenden Käufer die Herausforderungen erhöht. Hinzu kommt eine Verschiebung der Prioritäten. Das hat beispielsweise der aktuelle Report der DIHK zur Unternehmensnachfolge gezeigt: Viele Alt-Unternehmer stellen die Nachfolgefrage aufgrund der derzeitigen Krise hinten an und fokussieren sich auf die Existenzsicherung ihres Betriebes. Das ist verständlich, aber trotzdem fatal. Denn Studien haben in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, dass fast die Hälfte der Unternehmer sich ohnehin nicht rechtzeitig auf eine Nachfolgelösung vorbereitet.

Die Nachfolge durch Unternehmensverkauf muss also langfristig geplant werden?

Leopold: Unbedingt, ja. Je nach Branche, Größe des Unternehmens und Komplexität des Falls empfehlen wir hier drei bis fünf Jahre Vorlauf. Denn es ist heutzutage längst nicht mehr so, dass ein Unternehmer sagt: ‚So, ich verkaufe jetzt‘, und die willigen Käufer sofort Schlange stehen und ihn mit lukrativen Angeboten überhäufen. Das ist – im Gegenteil – ein aufwändiger und für einen Firmenbesitzer nicht selten desillusionierender Prozess. Viele schieben die N-Frage dennoch jahrelang vor sich her. Das zeigt sich dann in Analysen wie dem DIHK-Report, wonach knapp die Hälfte der Alt-Unternehmer keinen geeigneten Nachfolger in Aussicht hat.

Und wie kann sich ein Unternehmer konkret auf den externen Generationenwechsel vorbereiten?

Leopold: Das beginnt damit, dass er seinen Betrieb für die Übergabe ‚hübsch‘ macht. Also: nochmal alles ehrlich auf den Prüfstand stellen und wo es nötig ist, optimieren. Dazu gehören auch oft ungeliebte Themenkreise, wie den Vertrieb ankurbeln und möglichst den Ertrag steigern. Zudem sollte er seine Kommunikation intensivieren, um Bekanntheit und Image auszubauen. Ein Unternehmen mit gutem Standing in seiner Branche, der Region und bei seiner Zielgruppe, hat es oft leichter, das Interesse potenzieller Käufer zu wecken. Auch interne Struktur, Verwaltung, technische Ausstattung, der Bestand an Fachkräften, die Altersstruktur der Belegschaft und – ganz wichtig – das Geschäftsmodell müssen kritisch geprüft und im Zweifel verbessert werden. Schließlich gibt es bei externen Nachfolgern keinen Familienbonus. Käufer kalkulieren rein rational und suchen aussichtsreiche Investments, die sich langfristig für sie lohnen.

Das ist aber nur der erste Akt des Nachfolgeprozesses, oder?

Leopold: Genau, sobald es konkret werden soll, muss ein Unternehmer die erforderlichen Verkaufsunterlagen, Informationen und Belege sowie eine unabhängige Unternehmensbewertung bereithalten und beginnen, gezielt nach möglichen Käufern zu suchen. Erste Anknüpfungspunkte können da Branchenverbände, Kammern, Nachfolgeportale oder Unternehmer-netzwerke sein. Umhören kann sich der Unternehmer auch bei seinen Kunden, Lieferanten, Finanzierern oder Partnern. Doch Mund-zu-Mund-Propaganda wird in der aktuell schwierigen Lage nicht immer zum Erfolg führen. Es kann sein, dass die Wunsch-Käufer aufgrund der derzeit unsicheren Lage von Engagements eher absehen. Übergeber müssen daher schon gezielt suchen, weshalb wir einen strukturierten Investorenprozess empfehlen.

Und wie sollte so ein strukturierter Prozess aussehen?

Leopold: Zuerst muss geprüft werden, ob ein Unternehmen überhaupt bereit für eine Übergabe ist. Also: Wie ist seine Stellung am Markt und die finanzielle Ausstattung? Welches Potenzial und welche Rendite verspricht der Betrieb möglichen Übernehmern? Und vor allem: Ist die Struktur des Unternehmens überhaupt übergabetauglich? Viele Betriebe sind so auf den Geschäftsführer ausgerichtet, dass hier ein externer Übernehmer kaum Zugang findet. Im Idealfall gibt es dagegen eine zweite Verwaltungsebene, mit klaren Prozessen, Strukturen und fachlicher Verantwortung, die auf mehrere Schultern verteilt ist. Stimmen die Voraussetzungen soweit, müssen geeignete Käufer recherchiert und gezielt angesprochen werden. Dafür braucht es transparente und rechtssichere Verkaufsunterlagen. Melden sich erste Interessenten zurück, geht es in die Gespräche, später in die Kaufpreisverhandlungen. Die Grundlage dafür ist eine belastbare und neutrale Unternehmensbewertung, beispielsweise anhand der sogenannten Ertragswertmethode oder eines Discounted-Cash-Flow-Verfahrens. In den Verhandlungen sollten Unternehmer kompromissbereit sein und den ideellen Wert ihres Lebenswerks nicht mit dem eigentlichen Unternehmenswert verwechseln. Ist eine Lösung gefunden, werden die detaillierten Modalitäten der Übergabe geklärt, die Verträge erarbeitet und letztlich der Verkauf abgewickelt.

Können Unternehmer diesen Prozess komplett in Eigenregie führen?

Leopold: Schwierig. Zum einen braucht es spezifisches Fachwissen für eine solche Vertragsanbahnung. Andererseits erfordert eine Bewertung, die der potenzielle Käufer auch akzeptiert, eine neutrale und fundierte Perspektive. Dafür ist der Unternehmer meist viel zu tief in seiner Firma verwurzelt. Die Auswahl passender Übernahmekandidaten erfordert zudem Marktkenntnisse sowie ein entsprechendes Netzwerk und die späteren Verhandlungen meist taktisches Geschick. Man darf auch nicht vergessen: Alle Aufgaben müssen bewältigt werden, während das Alltagsgeschäft ganz normal weiterläuft. Für einen aussichtsreichen Investorenprozess würden wir daher auf jeden Fall die Zusammenarbeit mit erfahrenen Beratern empfehlen. Was Unternehmer erst einmal allein angehen könnten, ist die langfristige Optimierung des Betriebes für die Übergabe. Allerdings schätzen auch da viele den Blick von außen. Für bestimmte Bereiche können dann Spezialisten hinzugezogen werden, zum Beispiel für die Ablaufoptimierung, den Vertriebspush oder eine Modernisierung des Außenauftritts. 


Diese Themen sollten vor einer Übergabe angegangen werden:

  • Strategie: Geschäftsplanung, Rentabilität
  • Aufbau- und Ablauforganisation im Unternehmen (klare Prozesse, Strukturen)
  • Finanzierungsstruktur, Eigenkapitalausstattung
  • IT: Technische Ausstattung
  • Mitarbeiter: Altersdurchmischung und Kompetenzen der Belegschaft
  • Recht und Steuern: Nachfolgeverträgliche Rechtsform - ggf. Wechsel
  • Marketing: Außenauftritt modernisieren, Vertrieb pushen 

Günstige Faktoren für eine Nachfolge

  • Erfolgreiches Geschäftsmodell, gute Marktposition 
  • Solide ausgearbeitete, langfristige Kundenverträge
  • Transparente Buchführung
  • Festes Lieferanten- und Dienstleisterverhältnis
  • Klare Abläufe und Zuständigkeiten
  • Effektiver Vertrieb, wirkungsvolles Marketing
  • Expertenstatus, guter Ruf
  • Sinnvolle Rechtsform